Köln. Personalauswahl gehört gerade in den personalintensiven sozialen Einrichtungen zum laufenden Geschäft. Die vorausschauende Beurteilung der Fähigkeiten und Eignung ist bei Menschen aber wesentlich schwieriger als bei Gegenständen. Deshalb praktizieren viele Unternehmen immer aufwendigere Auswahlverfahren. Dahinter steht die Vorstellung, dass das aufwendigste Verfahren zur Personalauswahl auch das Beste sei. Dies ist so jedoch nicht zutreffend. Richtig aufgebaut und durchgeführt ist ein strukturiertes Bewerbergespräch einem sehr viel aufwendigeren Assessment-Center - gemessen an der Qualität der Entscheidung - oft überlegen.
Gute Schauspieler im Assessment Center
An einem klassischen Assessment Center nehmen in der Regel mehrere Bewerber teil. Dabei werden für die zu besetzende Stelle typische Arbeitsaufgaben - beispielsweise in Form von Rollenspielen - simuliert. Dadurch sollen unter anderem persönliche, soziale und kommunikative Kompetenzen des Bewerbers erfasst werden. Das Assessment Center dauert mehrere Stunden, manchmal auch mehrere Tage. Das Verfahren ist daher sehr teuer und zeitaufwendig. Der hohe Aufwand garantiert jedoch nicht automatisch eine gute Personalentscheidung. Tatsächlich schneidet das Assessment Center immer schlechter ab, wenn es darum geht, die richtige Person für eine zu besetzende Stelle zu finden. Einer der Gründe hierfür ist, dass es inzwischen für Bewerber eine Fülle von Literatur zur Vorbereitung auf ein Assessment Center gibt. Bei einem so präparierten Teilnehmer werden nicht mehr das natürliche Verhalten und damit die tatsächlichen Eigenschaften der Person erfasst. Stattdessen hat der Bewerber mit den besten schauspielerischen Fähigkeiten oft auch die größte Chance, eine Zusage zu erhalten.
Strukturiertes Bewerbergespräch
Die für eine fundierte Personalentscheidung wichtigen Informationen über einen Bewerber lassen sich wesentlich kostengünstiger und zeitlich effizienter mittels eines strukturierten Bewerbergesprächs erheben. Ein solches Gespräch schneidet in vielen Studien zur Personalauswahl besonders gut ab, wenn die spätere Bewährung eines ausgewählten Arbeitnehmers mit dem Auswahlverfahren bei seiner Einstellung in Relation gesetzt wird. Voraussetzung für diesen Erfolg ist jedoch, dass das Bewerbergespräch fachgerecht aufgebaut und durchgeführt wird. Besonders wichtig ist es, im Vorfeld des Bewerbergesprächs sorgfältig die Kriterien auszuwählen, an denen der Bewerber „gemessen" werden soll. Diese Kriterien sollten individuell auf den jeweiligen Arbeitsplatz zugeschnitten sein. Sie können bzw. müssen sich deshalb je nach Branche oder auch innerhalb eines Unternehmens erheblich unterscheiden.
Situative Fragen
Anhand der definierten Kriterien lässt sich ein Gesprächsleitfaden erarbeiten, der unter anderem so genannte situative Fragen auf der Basis „kritischer Ereignisse" enthalten sollte. Vor dem Bewerbergespräch werden „kritische Situationen" zusammengetragen, die im Arbeitsalltag der zu besetzenden Stelle auftreten können. Außerdem wird festgelegt, was eine gute bzw. erwünschte Reaktion des Bewerbers auf eine solche Situation wäre. Im Vorstellungsgespräch wird dem Bewerber die Situation geschildert. Anschließend soll er beschreiben, wie er in seiner bisherigen beruflichen Laufbahn auf eine solche Situation reagiert hat bzw. wie er sich zukünftig in einer solchen Situation verhalten würde. Die Antworten des Bewerbers können bereits während des Gesprächs mit vorher festgelegten Kriterien verglichen werden. Auf diese Weise lassen sich sowohl persönliche, kommunikative oder soziale als auch fachliche Kompetenzen eines Bewerbers ermitteln.
Ein solches Vorgehen erlaubt eine detaillierte Erfassung von Bewerbereigenschaften über ein breites Spektrum von jeweils interessierenden Kompetenzen. Ein strukturiertes Bewerbergespräch ermöglicht daher auch und gerade kleineren Unternehmen, eine gut begründete Wahl zwischen mehreren Bewerbern zu treffen. Der finanzielle und zeitliche Aufwand ist dabei wesentlich geringer als bei Assessment Centern, die Güte der getroffenen Entscheidung ist oft sogar als höher einzustufen.